Petra Hagedorn erzählt das Märchen vom kleinen Harburger König, der von einem bösen Zauberer jenseits der Elbe in die Falle gelockt wurde und nun seine Tage im Turm eines alten Speichers verbringen muss. Eine Parabel über Harburgs Geschichte als ehemals eigenständige preußische Stadt, das bis heute distanzierte Verhältnis zu den Hanseaten auf der anderen Elbseite und den langen Dornröschen-Schlaf, aus dem der Stadtbezirk an der Süderelbe derzeit erwacht:

"Vor vielen, vielen Jahren lebte einst in einer kleinen Stadt an der Elbe namens Harburg ein kleiner König in seinem kleinen Harburger Schloss. Er war beliebt bei seinen Untertanen und das Leben in der kleinen Stadt blühte und gedieh.

Auf der anderen Seite des großen Flusses aber lebte ein böser Zauberer. Der war sehr eifersüchtig auf den kleinen König und seine schöne kleine Stadt.

Eines Tages, als der kleine König gerade eine der beliebten Einkaufsstrassen Harburgs besuchte, erschien ihm der Zauberer von Hamburg als Geist und flüsterte ihm ins Ohr: "Wenn du den alten Turm im Hafen erklimmst, kannst du die Zukunft Deiner Stadt sehen."
Das ließ sich der kleine König nicht zweimal sagen. Flugs ließ er sich von einem Boot zum alten Speicher bringen, der mitten im Wasser lag, und erklomm die 327 Stufen, bis er zum obersten Fenster kam.

Von dort oben sah er auf sein kleines Reich und erschrak: Die kleine Stadt war grau und hässlich, hohe Schornsteine verdunkelten mit ihrem Rauch den Himmel.
Im einst so blühenden Hafen dümpelten einige schrottreife Kähne vor sich hin und eine laute schwarze Eisenbahn versperrte den Harburgern den Weg zum Wasser. Der Zauberer hatte um die Stadt einen magischen Ring gezogen, sodass niemand mehr den Weg in die Stadt fand, um dort einzukaufen und seinen Harburger Untertanen ging es sehr schlecht.
Der König war entsetzt, er fragte den Zauberer, was er tun könnte, um seine kleine schöne Stadt vor dieser Zukunft zu bewahren, doch dieser lachte nur höhnisch: "Du wirst gar nichts mehr tun!" und schloss den kleinen König im hohen Turm des Speichers ein.

Da sitzt er noch heute und wartet darauf, dass eine gute Fee kommt, um ihn und seine kleine Stadt von dem bösen Zauber zu befreien.
Die Harburger Bürger aber lassen jedes Jahr einen neuen König aus ihren Reihen durch die Stadt und auf den Schwarzenberg ziehen, zur Erinnerung an die gute alte Zeit und um die Hoffnung aufrecht zu erhalten, dass der wahre König von Harburg, der wieder Wohlstand und sozialen Frieden in ihre kleine Stadt einziehen lässt, eines Tages vom Bann des bösen Zauberers befreit wird."